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Ein Ort voller Leben und Geschichten. Die Fuchsspur.

Vor kurzem führte mich meine Suche nach Spuren in eine scheinbar leblose Kiesgrube. Der perfekte Boden für Spuren dachte ich mir, als ich das Areal betrat. Es war still, die Sonne brannte mir auf den Nacken und das Terrain schien auf den ersten Blick karg und unbelebt. Doch der Eindruck täuschte: Schon bald entdecke ich eine Vielzahl von Spuren, die von der Vielfalt des Lebens an diesem scheinbar leeren Ort zeugten.



Leblose Landschaft? Weit gefehlt!


Die Kiesgrube bot eine ideale Leinwand für Fußabdrücke aller Art. Jeder Schritt eines Tieres, jeder Flügelschlag eines Vogels hinterlässt hier seine Abdrücke. Die Stille täuscht darüber hinweg, wie lebendig dieser Ort wirklich ist. Schon nach wenigen Metern entdeckte ich die Trittsiegel von Rehen, die hier offenbar auf der Suche nach Leckereien waren. Nicht weit davon entfernt stieß ich auf die wuchtigen Fußabdrücke von Wildschweinen und sogar auf die kleineren, leicht mit denen von Rehen verwechselbaren, Abdrücke der Jungtiere. Auch andere Tiere haben ihre Spuren hier hinterlassen. Ich fand die Spurbilder von Feldhasen im klassischen Parallelsprung, die Abdrücke von Füchsen im eleganten Trab und sogar die Abdrücke von Tauben und Krähen die sich eine Erfrischung an den Wasserpfützen holten. Es war, als ob die Kiesgrube ihre eigene Geschichte erzählte - eine Geschichte, die ich nur zu lesen brauchte.


Geschichten lesen
Geschichten in der Kiesgrube

Die Geschichte eines Rotfuchses


Besonders faszinierend war eine Spur, die mir sofort ins Auge sprang: eine Fuchsspur, die in einem Schrägtrab verlief. Die klaren, regelmäßigen Abdrücke erzählten von einem Fuchs, der selbstbewusst durch die Kiesgrube streifte. Doch plötzlich endete die Spur abrupt. Der Fuchs hatte eine Vollbremsung hingelegt, was deutlich an den sogenannten "Pressure Releases" zu erkennen war - die Spuren zeigten, wie er seine Pfoten abrupt in den Boden gedrückt hatte und alle weiteren Abdrücke der Fährte plötzlich fehlten.


Ich hielt inne und fragte mich, was den Fuchs so erschreckt haben könnte. In einiger Entfernung stand tatsächlich ein Baufahrzeug. Groß und deutlich. Doch warum sollte ein Fuchs, mitten im Trab, so lötzlich vor etwas so großen und deutlichen stoppen? Doch alles, vor allem die Druckbilder, deuteten darauf hin, dass dies der Auslöser bzw. Stopper gewesen war. Die Antwort kam mir plötzlich: Was wäre, wenn der Fuchs mitten in der Nacht hier gewesen war und ihn in der Dunkelheit das stehende Fahrzeug auf einmal überraschte? Das machte Sinn.



Diese Erkenntnis war wie ein Augenöffner. Die Spur erzählte die Geschichte des Fuchses, der in der Dunkelheit auf etwas bedrohliches, menschliches traf, das er erst spät wahrnahm und das vielleicht erst kürzlich hier abgestellt wurde. Der Fuchs stoppte, wendete abrupt und zog in einem 90-Grad-Bogen von seinem ursprünglichen Kurs ab. Es war, als hätte ich einen flüchtigen Moment aus dem Leben dieses Tieres eingefangen, konserviert im Staub der Kiesgrube.



Ein Privileg, die Geschichten der Natur zu lesen


Das Spurenlesen in dieser Kiesgrube war eine schöne Erfahrung. Es ist erstaunlich, welche Geschichten der Boden erzählen kann, wenn man bereit ist genau hinzusehen. Die Fußabdrücke verraten so viel über das Leben und Verhalten der Tiere, die diesen Ort durchstreifen und die mit uns hier leben. Sie bieten uns einen einzigarten Einblick in diese unsichtbare Welt.


Es erfüllt mich mit Dankbarkeit, dass ich die Möglichkeit habe solche Geschichten zu entdecken und zu entschlüsseln. Die stille Kiesgrube, die auf den ersten Blick leblos erschien, entpuppte sich als ein Ort voller Leben und voller Geschichten.



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